Reichsverteidigung

I./JG 3: 21.08. - 21.10.1943                                III./JG 26: 22.10. - 13.11.1943

Teile der II./JG 26: 08. - 13.10.1944                 I./JG 11: 01. - 17.08.1944 (Auffrischung)

Am 1. Juli 1942 trafen die ersten US-Luftstreitkräfte in Großbritannien ein, um die ein halbes Jahr zuvor auf der Arcadia-Konferenz beschlossene strategische Luftoffensive gegen Deutschland mit zu tragen. Nach ersten Probeeinsätzen (bis Dezember 1942) sowie Angriffen gegen deutsche U-Boot-Stützpunkte (bis Juli 1943) begann die 8. US-Luftflotte mit den Fernkampfeinsätzen gegen Städte und Industrieziele. Etwa in diese Zeit fällt der Beginn der Reichsverteidigung. Nun wechselten sich über dem Reichsgebiet die britischen Angriffe bei Nacht und die amerikanischen bei Tag ab. Diese Aufgabenteilung wurde im Wesentlichen bis Kriegsende beibehalten. Auf deutscher Seite mußten zwangsläufig Jägerverbände von der Ostfront abgezogen werden, hinzu kamen Einheiten, die in Afrika nicht mehr benötigt wurden.

In diese erste, intensive Phase der Reichsverteidigung fällt auch die Stationierung der I./JG 3 in Bönninghardt unter Major Quaet-Faslem. Zwei Wochen zuvor hatte hatte der bekannte Oberst Lützow den Platz inspiziert und als geeignet befunden. Diese mit Me 109 ausgerüstete Gruppe traf am 31. August ein und blieb bis zum 21. Oktober. Dieser Verband, der viele Monate lang die deutsche Luftüberlegenheit an der Ostfront mit sicherstellte, war unmittelbar vor der Verlegung auf die Hei zur Auffrischung in Döberitz und Mönchengladbach stationiert. Am 8. Oktober stürzte eine Me 109 der 3. Staffel aufgrund von Beschußschäden nahe der Issumer Steinfabrik kurz vor der Landung ab. Der Pilot war zuvor mit dem Fallschirm ausgestiegen und äußerte sich zufrieden, daß die "todkranke" Maschine ihn noch so weit zurück gebracht hatte.

Reparaturen an einer Me 109 auf der Südseite des Werkstatthangars, September/Oktober 1943. Rechts erkennt man den Bandolahof in seinem damaligen baulichen Umfang.

Eine treffende Beschreibung der Platzgebäude notierte ein Angehöriger der I./JG 3 in sein Tagebuch (aus: Prien, Stab und I./JG 3): "Dieser Feldflugplatz am Niederrhein rief unwillkürlich manche Erinnerung an die Plätze in Russland wach. Halb von niedrigem Laubwald umgeben, der eine gute Tarnung von Maschinen und Fahrzeugen ermöglichte, war seine Note kahl, öde und wild. Eine wohltuende Milderung erfuhr dieses Bild nur durch die ein- und zweistöckigen Gebäude aus rotem Ziegelstein an einer vorspringenden Ecke des Rollfeldes. Hier waren Flugleitung, Kasino, Gefechtsstand und die Bereitschaftsräume untergebracht. Gleich daneben stand eine Scheune aus dem gleichen Material: Das war die Werfthalle. Alles zusammen sah aus wie ein Bauernhof. Unweit davon befanden sich die Unterkünfte in kleinen Barackensiedlungen."

Höhepunkt dieser Periode war die Teilnahme an den Luftkämpfen des zweiten Black Thursday (14. Oktober 43). Der erste „schwarze Donnerstag" hatte am 17. August stattgefunden und die 8. US-Luftflotte 60 abgeschossene oder schrottreif beschädigte B-17 gekostet. Die Bönninghardter Flieger trugen zu den US-Verlusten am 14. Oktober nicht viel bei, lediglich eine P-47 aus dem Begleitschutz wurde bei Roosendaal nahe Arnheim abgeschossen.

 

 

Hauptmann Detlef Rohwer, Staffelkapitän der 2./JG 3. Er erzielte im Spätsommer 1943 die beiden einzigen Luftsiege seiner Gruppe in Bönninghardt (je eine P-47 am 8. und 14. Oktober). Auch die zur Ablösung  angetretene III./JG 26 war nicht viel erfolgreicher. Die Zahl der Bönninghardter Luftsiege dürfte über die gesamte Kriegsdauer hinweg kaum die Dreißig erreicht haben.

 

 

Insgesamt kosteten die beiden Angriffe auf Schweinfurt die 8. US-Luftflotte mehr als 120 B-17-Bomber (Stückpreis rund 240.000 Dollar), eklatant jedoch war der Personalverlust: Rund 950 Flieger kehrten wegen Tod oder Gefangenschaft nicht zurück. Auf deutscher Seite war der Verlust an Menschen und Material nicht so hoch. Die Kugellagerfertigung wurde nur für kurze Zeit unterbrochen. Die Abnehmerbetriebe für Kugellager wurden durch die kostspieligen Angriffe fast nicht beeinflußt; in Voraussicht von Bombenangriffen hatten die verschiedenen Hersteller einen eisernen Bestand für den Bedarf von drei Monaten angelegt.

 

In den zwölfwöchigen Zeitraum der Reichsverteidigung auf der Hei in 1943 fällt auch ein angeblicher Besuch des Oberbefehlshabers der Luftwaffe, Hermann Göring. Dem Besuch auf der Hei soll ein Abstecher zur Nachtjagdbasis Venlo vorangegangen sein, der sogar fotografisch festgehalten wurde - leider nicht eindeutig genug! Für Görings Besuch spricht:

er war im Herbst 1943 auf einer seiner „Besenmeier-" bzw. „Tengelmann-Reisen", bei denen er sich aus Gründen der Solidarität mit der Bevölkerung in zerbombten Innenstädten blicken ließ (von einem Besuch in Krefeld existiert ein Foto);

Göring hat möglicherweise die III./JG 26 "wegen mangelnder Abschußerfolge" oder ähnlicher Gründe inspiziert, er soll auch am 30.10. oder 01.11. in Wesel gesehen worden sein (gemäß der Publikation „Heimatfront Wesel").

Göring "auf einem Jägerflugplatz im Westen, Frühjahr 1940." Angeblich sah er sich in diesem Zeitraum auch bei den Alpener Gestüten nach jungen Pferden um und kaufte auch, was ein Kommunionkind aus dieser Gegend um sein größtes Geschenk brachte. Görings Reisen unterlagen verständlicherweise einer gewissen Geheimhaltung und sind daher nur schwer nachzuvollziehen.

Gegen den Besuch spricht: für alle diese Angaben gibt es bis jetzt keinerlei handfeste dokumentarische Beweise. Wenn überhaupt, so liegen diese - womöglich seit den Nürnberger Prozessen unangetastet - vermutlich im US-Nationalarchiv.

Ab Dezember 1943 war der Stab des Nachtjagdgeschwaders I, dessen I. Gruppe in Venlo lag, offiziell auf der Hei stationiert (s. Nachtjäger und Nachtschlachtflieger).

 

Absturz eines Bombers am Haagschen Berg, 22./23. April 1944

In der Nacht vom 22. auf den 23. April 1944 führte die RAF einen Angriff mit 600 Bombern gegen Düsseldorf durch. Zu dieser Aktion wurden mehrere Squadrons aus dem Norden Großbritanniens herangezogen, unter ihnen auch die 431. Sqdn RCAF (Royal Canadian Airforce) in Croft, Northern Yorkshire. Gegen ein Uhr nachts überflog der Bomberstrom die niederländisch/deutsche Grenze im Bereich Nimwegen, wobei sich sofort die ersten Verluste über deutschem Gebiet einstellten. Der langgestreckte Verband flog dann in süd-südöstlicher Richtung, mit ca. 15 km westlichem Abstand den Rhein entlang, in Richtung des Angriffszieles. Wenige Minuten nach halb zwei nahmen Major Karlewski und sein Bordfunker Vollert vom Fliegerhorst Venlo (2. Staffel NJG 1) in 5000 m Höhe in ihrer He 219 einen viermotorigen Bomber mit doppeltem Seitenleitwerk unter Feuer, der als eine Avro Lancaster identifiziert wurde. Tatsächlich handelte es sich um eine Handley Page Halifax III der 431. kanadischen RAF-Squadron, Werknummer MZ 514, Verbandskennung SE-P, dessen Aufschlagbrand die deutsche Nachtjägerbesatzung gegen 01 Uhr 39 ca. 10 km südlich Xanten beobachtete.

Die SE-P war die erste Halifax III, die in der Geschichte der 431. Sqdn verlorenging. Ob der Bomberpilot First Lieutenant Boyle die Halifax noch zu einer Notlandung „hinschmeißen" wollte oder Männer und Maschine keine Chance hatten, wird sich nicht mehr ermitteln lassen. Fest steht, daß der Bomber mitsamt achtköpfiger Besatzung und einer Bombenlast von rund sechs Tonnen ca. 600 m nördlich des Haagschen Berges auf einer Wiese hinter dem Hof von van Husen aufschlug und in einer gewaltigen Explosion auseinandergerissen wurde.

Den Helfern und Schaulustigen bot sich am nächsten Morgen das vielleicht schon bekannte Bild des Grauens. Fetzen von battle dress (Einsatzkleidung) und menschlichem Fleisch hingen im Weidezaun. Eine abgerissene Hand wurde weiter abseits des Wracks gefunden. Die Bombenlast hatte einen großen Krater in den Boden gesprengt. Die schweren Sternmotoren hatten sich ins Erdreich gebohrt, sie wurden später mit Dreibeinen und Flaschenzügen gehoben. Kaum ein Stück von Rumpf oder Flächen war noch zusammenhängend zu erkennen. Der gesamte Schrott wurde anschließend mit Pferd und Wagen nach Winnenthal gebracht. Zur Bestattung der Flieger reichten zwei Särge aus, die auf dem Veener Friedhof beigesetzt wurden. Drei lesbare Erkennungsmarken konnten dem Bürgermeisteramt in Veen noch übergeben werden. Bei einer Untersuchung der Absturzstelle im Jahr 2001 wurden noch Knochensplitter der Besatzung gefunden.

Nach dem Krieg wurden die sterblichen Überreste auf den Soldatenfriedhof im Reichswald umgebettet (Feld 18, Reihe E, Nr. 1 bis 5). First Lieutenant Boyle dürfte damit zu den sehr wenigen US-Gefallenen des Zweiten Weltkrieges gehören, die - entgegen einer Anordnung ihrer Regierung - auf deutschem Boden ihre letzte Ruhe fanden.

Bemerkenswert ist, wie diese Besatzung der Royal Air Force regelrecht zusammengewürfelt wurde: Der Pilot stammte aus der U.S. Army Air Force, fünf weitere Flieger aus der Royal Canadian Air Force, deren vier Sergeants posthum zu Offizieren befördert wurden. Vier Mann gehörten offenbar nicht zum fliegenden Personal. Scheinbar hatte die RAF auch ihre Personalprobleme. Die Maschine verfügte darüber hinaus über einen zusätzlichen MG-Schützen hinten unten. Dieser zusätzliche MG-Stand wurde eingeführt, da die deutschen Nachtjäger insbesondere nach Einführung der neuen Schrägbewaffnung (Schräge Musik) „von hinten unten" angriffen, um sich nicht dem Abwehrfeuer des Heckschützen auszusetzen.

Abbildung einer Handley Page Halifax III einer kanadischen Bombereinheit. Die nördlich des Haagschen Berges abgestürzte Maschine sah dieser sehr ähnlich.

 

In den Erinnerungen mancher Zeitzeugen kommt ein "britischer Aufklärer" vor, der "kurz landete und verschwand, bevor die Platzbesatzung begriff, was geschehen war." Die oben genannte Spitfire trug jedoch deutsche Abzeichen und gehörte zum sog. "Zirkus Rosarius", dem Versuchsverband des Oberbefehlshabers der Luftwaffe. Diese Einheit führte erbeutete gegnerische Flugzeuge zu Demonstrations- und Übungszwecken vor. Der neunundsiebzigminütige Aufenthalt des Leutnant Messer diente mit Gewißheit zu Ausbildungszwecken beim JG 11.

In der ersten Augusthälfte 1944 fiel mit der I./JG 11 das erste und einzige Mal ein Verband mit Focke-Wulf 190 in Bönninghardt ein. In dieser Auffrischungsmaßnahme wurden neue, unerfahrene Piloten sowie Umschüler in Formationsflug, Schieß- und Gefechtsflügen ausgebildet. Der Ausbildungsbetrieb verlief nicht ohne tödliche Zwischenfälle. Am 2. und 5. August stürzte jeweils ein Pilot tödlich ab, und am 15. August kam es über der Leucht zu einer Kollision der Maschinen des Gefreiten Hein und des Uffz. Lückenbach. Hein hatte Glück, da sein später Fallschirmabsprung durch die hohen Fichten abgebremst wurde, und wurde mit Gehirnerschütterung ins Gelderner Krankenhaus gebracht. Lückenbach konnte seine Maschine jedoch nicht verlassen und starb im Aufschlagbrand, zwei Tage vor seinem zwanzigsten Geburtstag. (Anmerkung des Autors: Zurzeit verdichten sich die Hinweise, daß diese bzw. eine weitere Kollision nicht am 15. August und möglicherweise auch nicht zwischen zwei Piloten des JG 11 stattfand).

Uffz. Siegfried Rudschinat vom JG 11 machte Mitte August 1944 in Bönninghardt seine ganz speziellen Erfahrungen mit der Partei. Vor der erneuten Verlegung nach Frankreich gab es ein Abendessen mit dem dortigen Gauleiter, in dessen Verlauf es zu einer uner-wünschten Kontroverse kam: "Ich saß beim Essen neben dem Gauleiter. Dieser 'Goldfasan' machte markige Sprüche und wollte offenbar entsprechende Antworten hören. Mir stand der Sinn jedoch überhaupt nicht nach irgendwelchen Phrasen und so schilderte ich ihm ziemlich ungeschminkt die Situation. Schon dabei merkte ich allerdings, wie sich Hptm. Matonis Miene verfinsterte. Hinterher kam dieser zu mir und ließ mich wissen: 'Wir beiden sprechen uns noch!' Die erste Reaktion am folgenden Tage war, daß Matoni mit einer Schere auf mich losgehen wollte, um meine - seiner Ansicht nach zu - langen Haare zu stutzen. Als am darauf folgenden Tage dann die Verlegung begann, wurde ich auf Befehl zurückgelassen und zu einem anderen Verband abgeschoben." (aus: Prien/Rodeike, Jagdgeschwader 1 und 11)

Die propagandistisch ausgerichtete Formulierung des Plakats oben dürfte wohl eher der Geisteshaltung des Parteifunktionärs entsprochen haben, mit dem sich Uffz. Rudschinat überwarf. Die Realität des Jagdfliegerlebens zu jenem Zeitpunkt wird allein schon durch die Unfälle des JG 11 auf der Hei angedeutet, auch wenn man voraussetzen darf, daß die jungen Piloten, meist in weitgehender Unwissenheit über die Hintergründe des Krieges, ihrer Aufgabe motiviert nachgingen.

 

 

 

 

 

 

 

Uffz. Bertram (oben) vom JG 11 mit seinem Wart. Sein Flugbuch verdeutlicht, daß er nicht lange am Ausbildungs-betrieb teilnahm, sondern - auswärts - als Einflieger für die FW 190-Schulmaschinen tätig war.

 

 

 

Die letzte Bönninghardter Episode in der Reichsverteidigung (Oktober 1944) blieb der II. Gruppe des JG 26 vorbehalten, die einen Teil ihrer Maschinen nach Maria Veen bei Coesfeld dislozierte. Am letzten Tag vor der erneuten Verlegung gelangen Lt. Glunz und Uffz. Fritsch noch jeweils ein Luftsieg (P-38 bzw. P-47 bei Aachen). Die alliierte Luftüberlegenheit war nach der teilweisen Niederlage bei der Brücke von Arnheim dermaßen intensiviert worden, daß der Luftwaffe nur noch ein zusehends chaotischerer Rückzug übrig blieb.

"Gruppenbild mit Damen im Schatten der Laube": Am rechten Tischende Klaus Mietusch, zum Zeitpunkt dieser Originalaufnahme (Frühjahr 1940) Staffelführer beim JG 26. Im Herbst 1943 führte er die III./JG 26 in Bönninghardt als Kommandeur. Er fiel am 17. September 1944 wenige Minuten nach seinem 72. Luftsieg bei Aldekerk unter mysteriösen Umständen ("während der Landung") im Luftkampf gegen einen Schwarm von Mustangs der 361. US-Jagdgruppe.

 

Angriff auf die Hei

Anfang September mußten die deutschen Besatzer die Nachtjägerbasis Venlo nach schwersten Bombenangriffen Hals über Kopf räumen. Jetzt war der Platz auf der Hei die westlichste noch verfügbare Nachtjagdbasis der Luftwaffe. Es dauerte nicht lange, bis die alliierten Jaboverbände auch hier zuschlugen. An einem Mittag Ende September 1944 führten vierzehn P-47-Jabos einen Angriff  auf den Platz durch. Da es Zeit für das Mittagessen war, befanden sich viele Soldaten im Speisesaal der Küchenbaracke, als die Attacke hereinbrach. Wer konnte, flüchtete in Einmannlöcher oder Deckungsgräben. Die Flakbedienungen und andere bewaffnete Soldaten eilten zu ihren Stellungen, jedoch wurden vier von ihnen von den wiederkehrenden Angriffswellen eingeholt und getötet. An verschiedenen Stellen entstanden Brände. Das Löschkommando des Platzes und Issumer Feuerwehrleute mußten im z. T. im Geschoßhagel in Aktion treten, blieben offenbar aber ohne Verluste. Die Toten dieses Tages fanden nach dem Krieg ihre letzte Ruhestätte auf dem Friedhof Niersenbruch bei Kamp-Lintfort, wo auch viele andere Opfer des Luftkrieges in und um Bönninghardt beerdigt sind.

 

Kurz nach Mittag des 8. November 1944 kam eine P-51 Mustang mit grün-gelb karierter Bemalung im Tiefflug, wie auf der Suche nach irgendetwas, über den Platz geflogen und wurde von der Flak unter Feuer genommen. Was in der Stunde zuvor geschehen war, gab Leutnant John Kester, Pilot dieser Mustang, wie folgt zu Protokoll (Übersetzung eines Dokuments aus dem US-Nationalarchiv):

Hauptmann Gregg führte den gelben Schwarm der Staffel mit dem Namen "Programm", als wir vom Geleitschutz für einen Bombereinsatz von Merseburg, Deutschland, zurückkehrten. Ich war die gelbe Zwei, während die gelbe Drei und Vier den Einsatz vor Erreichen des Ziels abbrachen. Wir ließen uns auf 10.000 Fuß fallen, um der sehr starken Gegenströmung auszuweichen, und setzten den Flug zusammen mit einem anderen Schwarm unserer Staffel fort, als wir entschlossen, im Tiefflug nach Gelegenheitszielen zu suchen. Wir hatten einen Kurs von 310 Grad geflogen, und ich meine, daß wir etwa südwestlich von Hannover waren, als wir eine Lokomotive erblickten. Die Durchsagen über Funk waren nicht hörbar, doch ich beobachtete weiterhin Hauptmann Gregg, als er seine Zusatztanks abwarf und hinabstieß. Ich folgte ihm mit drei- bis vierhundert Yards Abstand. Wir flogen einen Kreis und zogen quer über den Zug hinweg. Nach den Feuerstößen von Hauptmann Gregg stieß die Lokomotive Dampf

Links: Captain Eugene S. Gregg von der 338. US-Jagdstaffel. Er verbrachte einige Stunden auf der Hauptwache bei Kommandant Beyer. Rechts sein Rotten-flieger 2. Lieutenant John E. Kester. Er fiel am 14. Januar 1945 bei einem Angriff auf Stendal.

 

aus, und ich flog schießend über sie hinweg, ohne irgendwelches Feuer vom Boden zu beobachten. Wir stiegen wieder auf ca. 7.000 Fuß und blieben auf Kurs. Etwa von da an sah ich eine dünne weiße "Fahne" aus der hinteren Hutze von Hauptmann Gregg´s Maschine austreten. Ich rief ihn über Funk und sagte ihm Bescheid, auch darüber, daß ich keinen Empfang mehr hatte. Er wackelte zur Antwort mit den Flächen, und wir flogen einige Zeit einen Kurs von 240 Grad bis ich annahm, daß er das Sammeln zum Rückflug mit den Staffeln "Legacy" und "Messenger" befohlen hätte. Nachdem das Kühlwasser vollständig ausgetreten war, blieben wir noch zehn Minuten auf Kurs, als Gregg´s Motor in Flammen ausbrach. Ich flog nun seitlich von ihm, damit sein Weg aus der Kabine frei war, und beschloß bei ihm zu bleiben. Während ich über ihm von links nach rechts "wedelte", sprang Hauptmann Gregg ab. Seine Maschine stürzte in einen Wald, explodierte und setzte die Bäume in der Umgebung in Brand. Hauptmann Gregg landete im Wald neben einer Landstraße. Ich flog einen Kreis, flog die Straße entlang und sah den Fallschirm in den Bäumen hängen. Zivilisten waren auf der Straße und liefen zu der Stelle wo er gelandet war, und Flakkanonen in der Nähe beschossen mich, bevor ich noch einmal die Straße entlanggeflogen war. Ich weiß nicht, ob Hauptmann Gregg noch in seinem Fallschirm hing. Die Flak zwang mich, die Umgebung zu verlassen, also kehrte ich zur Heimatbasis zurück.

Ich kann die Gegend, in der Hauptmann Gregg landete, nicht genau bestimmen, aber ich weiß daß sie nahe und östlich von Münster, Deutschland liegt."

P-51 D Mustang in der Bemalung der 55. US-Jagdgruppe (grün/gelb), ähnlich der Maschine, die nahe dem heutigen Hotel Bönninghardt abstürzte

Leutnant Kester hat sich aus verständlichen Gründen um weit mehr als hundert Kilometer verschätzt. Die P-51 von Hauptmann Gregg stürzte am Westrand des Ortes Bönninghardt nahe dem heutigen Hotel in den Wald. Hauptmann Gregg wurde durch eine dort liegende deutsche Panzereinheit gefangengenommen und zur Flugplatzkommandantur gebracht. Die nächsten sechs Monate verbrachte er in Kriegsgefangenschaft.

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